29.01.2021

Zukunft ante portas: Impfen in der Apotheke

Derzeit verharrt das Impfen durch Apotheker in den Startlöchern, weil die österreichische Politik noch zögert. Aber letztlich spricht alles dafür, denn jeder weiß: Es ist höchste Zeit, dass die Durchimpfungsraten in Österreich steigen. Die Apothekerschaft steht bereit, ihren Beitrag zu leisten, meint Philipp Saiko, Präsident Apothekerkammer Wien.

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Durch Impfungen wird das Auftreten von Epidemien verhindert. Hohe Durchimpfungsraten unterbrechen Infektionsketten , eliminieren Krankheitserreger regional und können diese schließlich weltweit ausrotten.

Impfen ist der effizienteste und billigste Weg, Infektionskrankheiten zu verhindern und diese letztlich auszumerzen. Noch um 1900 verstarben jährlich allein 65.000 Kinder an Keuchhusten, Diphtherie und Scharlach. Heute sind solche Todesfälle die große Ausnahme. Dazu beigetragen haben – nicht ausschließlich, aber vor allem – die Schutzimpfungen.

Kollektivschutz der Bevölkerung

Impfungen dienen außerdem nicht nur dem eigenen Schutz, sondern auch dem Kollektivschutz der Bevölkerung. Durch sie wird das Auftreten von Epidemien verhindert, und es werden Personen geschützt, bei denen aus medizinischen Gründen keine Impfung durchgeführt werden kann. Bei hohen Durchimpfungsraten können Infektionsketten unterbrochen, Krankheitserreger regional eliminiert und schließlich weltweit ausgerottet werden. Man nennt das Herdenschutz. Die Pocken zum Beispiel konnten durch großflächige Impfprogramme überwunden werden – diese Impfung ist heute nicht mehr notwendig. Die Masern könnten mit einer hohen Durchimpfungsrate wahrscheinlich ebenso endgültig überwunden werden. Sich impfen zu lassen ist demnach auch ein Dienst an der Gemeinschaft. Oder, drastisch formuliert: Wer sich nicht impfen lässt, der handelt egoistisch.

 

Ja zum Impfen

Leider sind die aktuellen Durchimpfungsraten in Österreich im internationalen Vergleich zumeist unterdurchschnittlich. Dahinter steht die traditionell sehr emotional geführte Diskussion ums Impfen; sie hat in der Coronazeit weiter an Intensität zugenommen. Die Tendenz ist aber erfreulich: Die Bereitschaft der Menschen, sich generell, also auch gegen andere Infektionen, immunisieren zu lassen, ist im Steigen begriffen.

Da ist es naheliegend, dass Apotheker ihre Hilfe anbieten. Sie stehen bereit, um die Menschen in ausgewählten Apotheken zu impfen und damit andere Gesundheitsberufe bei dieser Tätigkeit zu unterstützen. Schließlich sind die Vertreterinnen und Vertreter des Apothekerstandes die am besten ausgebildeten Spezialisten in Sachen Arzneimittel, zu denen z.B. auch die Impfstoffe gehören.

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Philipp Saiko, Präsident Apothekerkammer Wien, sieht die erfreuliche Tendenz, dass die Impf-Bereitschaft der Menschen im Zunehmen ist.

Wissen um Impfstoffe bereits vorhanden

Derzeit absolvieren viele Apotheker der Alpenrepublik eine Impfausbildung als Voraussetzung für die staatliche Erlaubnis, Impfungen vorzunehmen. Das theoretische Wissen über Impfungen ist bereits Teil des Pharmaziestudiums und auch fixer Bestandteil des Aspirantenjahres, der Ausbildungszeit in der Apotheke nach Abschluss des Pharmaziestudiums. Schon jetzt geben Apotheker im Rahmen ihrer Aufgaben Impfstoffe ab und beraten über alle Aspekte wie Wirkung, Nebenwirkungen, Indikation, Kontraindikation, Impfschema sowie Fragen zu den aktuellen Impfempfehlungen in Österreich, wie etwa dem Impfplan.

© Christian Husar
Umfang und Inhalte der Impfausbildung orientieren sich an Fortbildungen aus Ländern, in denen Apotheker schon seit vielen Jahren impfen.

Ausbildung als Voraussetzung für das Impfen

Die Impfausbildung besteht aus einem theoretischen und einem praktischen Teil und beinhaltet die wesentlichen Aspekte von der Beurteilung der Impfeignung über die Applikation bis hin zur Nachsorge. Im Theorieteil werden in mehreren Modulen Immunologie, Impfstoffe, Impftauglichkeit und bestimmte Infektionskrankheiten sowie deren Schutzimpfungen behandelt. Der Praxisteil hat die Injektionstechnik und spezifische Erste Hilfe zum Thema. Damit werden alle relevanten Bereiche rund um das Thema Impfen abgedeckt. Umfang und Inhalte orientieren sich dabei eng an Fortbildungen aus Ländern, in denen Apotheker schon seit vielen Jahren impfen und folglich Millionen Impfungen verabreicht wurden. Neben europäischen Curricula war vor allem die Ausbildung in den USA für die heimische Impfausbildung Vorbild. Letztere folgt und entspricht also den internationalen Standards.

Der „Impftermin“ rückt näher

Noch bleibt der Apothekerschaft das Impfen in Österreich rechtlich verwehrt, noch besteht keine Erlaubnis von Seiten des Gesetzgebers. Aber der Weg ist vorgegeben: In 13 europäischen Staaten sowie mehr als 20 weiteren Ländern weltweit kann man sich in bestimmten Apotheken von speziell ausgebildeten Apothekern impfen lassen. Das bringt den Menschen viele Vorteile. Denn unumstritten ist: Der Gang in die öffentliche Apotheke mit ihrem niederschwelligen Zugang und ihren österreichweit rund 400.000 Patientenkontakten pro Tag ist der einfachste Weg, die Durchimpfungsraten merklich zu erhöhen. Viele Beispiele aus aller Welt belegen das.

Frage des Ortes und der Zeit

Weitere Argumente sprechen für das Impfen durch Apotheker: Zunächst befindet sich die nächstgelegene Apotheke ganz in der Nähe – nicht umsonst spricht man ja von der „Apotheke um's Eck“. 95 Prozent der Menschen in Österreicher erreichen ihren „sicheren Hafen“ in durchschnittlich weniger als zehn Minuten. Und nicht zuletzt stellen auch die Öffnungszeiten der Apotheken ein wichtiges Argument für das Impfen durch Apotheker dar. Jede der rund 1.400 Apotheken in Österreich hat durchschnittlich 49 Stunden pro Woche geöffnet. In der Nacht sowie an Wochenenden und Feiertagen verrichten knapp 300 Apotheken Bereitschaftsdienst und versorgen die Menschen rund um die Uhr mit Arzneimitteln. Diese wohnortnahe Versorgungsdienstleistung stellt österreichweit einen Gegenwert von 35 Millionen Euro dar, der vom Apothekerstand selbst finanziert wird.

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Öffnungszeiten und die Nähe der Apotheken stellen ein wichtiges Argument für das Impfen in der Apotheke dar.

Fazit: Bei den heimischen Apothekern ist das Impfen in den besten Händen – und damit die Gesundheit der Österreicherinnen und Österreicher. Das Impfen in der Apotheke mag jetzt noch „Zukunftsmusik“ sein. Aber die Zukunft kommt näher. Und die Musik wird lauter.

 

Text von Priv.-Doz. DDr. Philipp Saiko, Präsident Apothekerkammer Wien