24.02.2021

Warum Forschung an seltenen Krankheiten wichtig ist

Wussten Sie, dass eine von 20 Personen irgendwann in ihrem Leben mit einer seltenen Krankheit lebt? Viele davon unheilbar und nicht diagnostiziert. Der „Tag der seltenen Erkrankungen“ am 28. Februar soll ein Bewusstsein in der Öffentlichkeit erwecken. Wie das zur Forschung an Heilmitteln beitragen kann.

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Seltene Krankheiten sind nicht so selten wie man glaubt. Allein in Österreich gibt es 400.000 Betroffene.

Seltene Erkrankungen sind gar nicht so selten wie man vielleicht glaubt. In Europa gibt es an die 30 Millionen Betroffene, in Österreich 400.000 – immerhin 4,5 Prozent der Bevölkerung. Doch was gilt als selten?

Weniger als einer von 2.000

Per Definition durch die Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Arzneimittel für seltene Leiden von 1999, gilt eine Erkrankung als selten, wenn weniger als einer von 2.000 Menschen in der Europäischen Bevölkerung von dieser Krankheit betroffen ist. Von den rund 30.000 bekannten Krankheiten weltweit zählen über 6.000 zu den sogenannten seltenen Erkrankungen und sind in der Medizin auch als Waisenkinder bzw. Orphan Diseases bekannt.

Datenbank der seltenen Krankheiten

Das Online-Portal Orphanet bietet für Betroffene und im Gesundheitswesentätige eine Suchmaschine zu Krankheiten, Arzneimitteln, Selbsthilfeorganisationen, Fachleuten und Einrichtungen. Ebenso pflegt es die Orphanet-Nomenklatur der seltenen Krankheiten (ORPHA code), welche zur Verbesserung der Sichtbarkeit von seltenen Krankheiten in Informationssystemen von Gesundheits- und Forschungseinrichtungen beiträgt.

 

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Eine Krankheit gilt als selten wenn weniger als einer von 2.000 Menschen in der Europäischen Bevölkerung von dieser Krankheit betroffen ist.

Oft schwierige Diagnose einer seltenen Erkrankung

Knapp 80 Prozent der seltenen Erkrankungen sind genetisch bedingt. 70 Prozent davon machen sich bereits bei Geburt oder im Kindesalter bemerkbar. Viele dieser Erkrankungen sind zudem oft chronisch, lebensbedrohlich oder führen zu Invalidität. Laut Pro Rare Austria hat ein praktischer Arzt höchsten einmal im Jahr damit zu tun, so selten tritt jede Erkrankung für sich auf. Darunter fallen z.B.   Cystische Fibrose, Epidermolysis bullosa, Angelman Syndrom, Primäre Immundefekte, Mukopolysaccharidosen, Lungenhochdruck.

Bis zur Diagnose können Jahre vergehen

Viele Erkrankungen verlaufen chronisch und die Betroffenen sind dauerhaft auf ärztliche Behandlung angewiesen. Der Weg zu einer Diagnose ist oftmals langwierig und mühsam. Im Schnitt vergehen bis zu drei Jahre. Wirksame Therapien und krankheitsspezifische Behandlungsmethoden sind rar. Doch woran mangelt es? Das medizinische Expertenwissen ist noch nicht ausgeschöpft, das Versorgungsangebot ist unzureichend und die Forschung begrenzt. Trotz ihrer hohen Gesamtzahl sind Patienten mit seltenen Erkrankungen die Waisen der Gesundheitssysteme, denen oft Diagnose, Therapie und die Vorteile der Forschung vorenthalten werden.2 Das könnte sich nun ändern.

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Patientenorganisationen leisten wichtige Öffentlichkeitsarbeit für die Orphan-Arzneimittelentwicklung und setzten sich z.B. dafür ein, wirtschaftliche Anreize durch EU-Verordnungen für Arzneimittelhersteller zu schaffen.

Lobbyismus für Orphan Drugs

Patientenorganisationen und Selbsthilfegruppen unterstützen und helfen Betroffenen. Der Dachverband Pro Rare Austria vernetzt diese auf nationaler Ebene. Eurorids, eine nicht-staatliche patienten-gesteuerte Allianz von Patientenorganisationen, vertritt 956 Patientenorganisationen aus 73 Ländern und mehr als 4.000 seltene Krankheiten. Diese Organisationen leisten wichtige Öffentlichkeitsarbeit für die Orphan-Arzneimittelentwicklung.

Anreize zur Forschung bieten

Unter „Orphan Drugs“ bzw. „Orphan-Arzneimittel“ versteht man Arzneimittel für Diagnose, Prävention und Behandlung von seltenen, lebensbedrohlichen bzw. sehr ernsten Krankheiten oder Störungen. Die Anzahl neuer Orphan-Arzneimittel ist oft begrenzt. Ursache dafür sind zum einen geringe Anreize für Arzneimittelhersteller. Außerdem sind unterstützende Unterlagen für Anträge oft nur ungenügend. Eurordis setzt sich dafür ein, wirtschaftliche Anreize durch EU-Verordnungen für Arzneimittelhersteller zu schaffen:

  • Marktexklusivität in der EU (10 Jahre bei Arzneimittel für Erwachsene, 12 Jahre für Kinder),
  • Protokoll-Assistenz (kostenfreie oder gegen eine reduzierte Gebühr bereitgestellte wissenschaftliche Beratung zu Orphan-Produkten),
  • Gebührenermäßigungen (Gebühren des Zulassungsverfahren werden erlassen bzw. reduziert),
  • EU-finanzierte Forschung (Pharmazeutische Unternehmen könnten Zuschüsse von der EU für die Entwicklung von Orphan-Arzneimittel erhalten). 

Rare Disease Day 2021

Der Tag der seltenen Erkrankungen steht 2021 unter dem Motto „Share your colours - Zeigen Sie Ihre Farben“. Die zentrale Botschaft lautet heuer: „Selten bedeutet viele. Selten ist stark. Selten ist stolz.“ Patientenorganisationen auf der ganzen Welt vernetzten sich, leisten Informationsarbeit und setzen Zeichen. Pro Rare Austria bietet am 27.2. ein 2-stündiges Onlineprogramm mit einer Keynote des bekannten Genetikers Markus Hengstschläger. Zudem wird es eine „Chain of Lights“ geben. Das Riesenrad in Wien, das Ars Electronica in Linz und die Bergisel-Schanze in Innsbruck werden in den Tagen rund um den 28.2.2021 in den Farben des „Rare Disease Day“ erleuchten.

Quellen: Pro Rare Austria; EURORDIS; Rare Disease Day, seltene Krankheiten.at

Text von Kathrin Kremser, Content Manager