Impfen in Apotheken: Braucht es das?

Österreicher sind Impfskeptiker. Warum die Impfung in Apotheken daher unbedingt möglich sein sollte, hat Ulrike Mursch-Edlmayr, Präsidentin der Österreichischen Apothekerkammer, Reed Exhibitions im Interview beantwortet. 

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Rund um das Thema Impfen gibt es zahlreiche Mythen und Fake News. Ulrike Mursch-Edlmayr sieht die Kernkompetenz von Apothekern in der Information und Beratung über Arzneimitteln und damit auch die Aufklärung bei Impfskepsis.

Reed Exhibitions: Frau Mursch-Edlmayr, das Thema Impfen hat in der Öffentlichkeit vermehrt einen negativen Beigeschmack bekommen. Dies zeigt sich auch in der sinkenden Impfquote. Woran glauben Sie liegt das?

Ulrike Mursch-Edlmayr: Ich sehe hier unterschiedliche Entwicklungen, die gleichzeitig stattfinden. Zunächst werden die Impfungen für Kleinkinder im Rahmen des Mutter-Kind-Passes sehr gut angenommen - das kostenlose Kinderimpfprogramm ist ein Erfolgsmodell, vor allem wenn es auch an Schulen umgesetzt wird. Auch die FSME-Impfung läuft gut. Auf der anderen Seite gibt es Impfungen wie jene gegen Influenza, die in den vergangenen Jahren auffallend wenig angenommen werden. Seit 2020 ist das anders. Der Grund ist Corona. Die Covid-19-Pandemie hat bei vielen Menschen zu einem Umdenken geführt.

Warum gibt es so eine Impfskepsis in der Bevölkerung?

Mursch-Edlmayr: Dahinter können verschiedene Gründe stehen, etwa Misstrauen, Falschinformationen oder reine Bequemlichkeit. Zum Thema Impfen gibt es in der Öffentlichkeit mehr und mehr Mythen und Fake News. Eine wichtige Aufgabe von Apothekern ist, unter Wahrung der Objektivität über das Thema Impfen sachlich aufzuklären.

Warum ist es in Österreich noch nicht möglich sich in der Apotheke impfen zu lassen?

Mursch-Edlmayr: Es fehlt noch die gesetzliche Grundlage.

Wie hoch ist die derzeitige Durchimpfungsrate in Österreich?

Mursch Edlmayr: Die Durchimpfungsraten sind in Österreich sehr verschieden, generell aber niedriger als in vergleichbaren Ländern. Bei der Influenza lag die Durchimpfungsrate zuletzt bei etwa sieben Prozent. Zu erwarten ist eine deutliche Steigerung als Folge der Corona-Pandemie. Vergleichsweise gut aufgestellt ist Österreich bei der FSME-Impfung, hier betrug die Durchimpfungsrate zuletzt etwa 85 Prozent.

Denken Sie, dass sich die Durchimpfungsrate erhöhen würde durch das Angebot in der Apotheke? Können Apotheker der Impfskepsis entgegenwirken, indem sie begleitend zu den Impfungen voran ausführlich Beratung und Information anbieten?

Mursch-Edlmayr: Dass sich die Durchimpfungsrate erhöhen würde durch das Impfangebot in der Apotheke, ist garantiert. Die Beispiele sämtlicher Länder, die uns mit dem Impfen in der Apotheke voraus sind, zeigen das. Die Information und begleitende Beratung bei Arzneimitteln, deren Wirkung und richtiger Einnahme gehört zu den Kernkompetenzen der Apotheker. Dazu zählt schließlich auch das Thema Impfskepsis. 

 

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"Eine deutliche Steigerung der Durchimpfungsrate ist als Folge der Corona-Pandemie zu erwarten," meint Ulrike Mursch-Edlmayr.

Der elektronische Impfpass wird heuer ausgerollt. Was bedeutet das in der Praxis?

Mursch-Edlmayr: Der e-Impfpass löst die Papier-Impfpässe ab, die heute mit den Anforderungen an ein modernes Gesundheitsvorsorgeinstrument nicht mehr Schritt halten können. Der e-Impfpass wird im Rahmen der elektronischen Gesundheitsakte ELGA realisiert. Er stellt ein zentrales Tool zur Verkleinerung der Impfdefizite in Österreich sowie zur Verbesserung der Prävention von Infektionskrankheiten in der Bevölkerung dar. Das ist natürlich auch im Hinblick auf die Covid-19-Schutzimpfung von größter Wichtigkeit. Hier kann der e-Impfpass bessere Einblicke gewähren. Das Gute am neuen Impfpass ist, dass alle Beteiligten profitieren können: Individualpatient, Bevölkerung, Apothekerin bzw. Apotheker, Arzt, Gesundheitssystem. Eine klassische Win-Win-Situation.

Wie stehen Apotheker zur Corona-Schutzimpfung?

Mursch-Edlmayr: Die Corona-Schutzimpfung bietet die einmalige Chance, die Verbreitung des Virus zu stoppen. Apotheker unterstützen daher die größte Impfaktion des Landes mit vollem Einsatz. Sie klären auf und beraten und helfen gerne mit – auch bei der herausfordernden Impflogistik. Schließlich sollen die Menschen auch in ländlichen Regionen wohnortnah zu ihrer Impfung kommen. Rund 400.000 Menschen gehen täglich in eine der etwa 1.400 Apotheken zwischen Bodensee und Neusiedlersee. Apotheker verfügen über die Expertise im Umgang mit Impfstoffen und können so kontrolliert und sicher die Verteilung für die Gesamtbevölkerung unterstützen. 

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Apotheker sind bereit für die standardisierte Impfausbildung.

Welche Voraussetzungen müssen die Apotheken erfüllen für eine Impfberechtigung?

Mursch-Edlmayr: Apotheker besitzen eine universitäre Ausbildung. Sie haben eine Berufsberechtigung in einem Gesundheitsberuf und absolvieren regelmäßig Aus- und Weiterbildungen. Die standardisierte Impfausbildung bildet eine Grundvoraussetzung für die Vornahme von Impfungen.

Welches Land können wir uns als Vorbild nehmen und Warum?

Mursch-Edlmayr: In mindestens 36 Ländern und Territorien weltweit besteht schon jetzt die Möglichkeit, sich von speziell ausgebildeten Apothekern impfen zu lassen. Rund 20 weitere Länder sind auf dem besten Weg dorthin. Vorbilder können all jene Länder sein, die nachgewiesenermaßen zeigen, dass Impfraten durch Apotheker steigen. Ich nenne exemplarisch Frankreich. Natürlich gibt es Dutzende weitere Beispiele. Während eines zwei Jahre dauernden Pilotprojekts wurden in Frankreich über 900.000 Personen gegen Influenza geimpft. Gleich in der ersten Saison stieg die Impfrate in der Zielgruppe um zehn Prozent. Aufgrund dieses großen Erfolges gibt es jetzt landesweite Impfungen gegen Influenza.

Wie lange wird die entsprechende Fortbildung für Apotheker dauern?

Mursch-Edlmayr: Die Ausbildung orientiert sich an internationalen Vorzeigemodellen. Diese Beispiele zeigen, dass die Kursdauer etwa drei Tage ist. Die Kurse werden sowohl theoretische als auch praktische Module enthalten.

Sollte die Nebenwirkungsmeldung auch in Apotheken möglich sein?

Mursch-Edlmayr: Nebenwirkungsmeldungen sind für Apotheken bei der AGES/BASG bereits möglich und auch üblich. 

Vielen Dank für das Interview! Das Interview führte Kathrin Kremser, Content Managerin